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China wird sein Wachstumsziel von 5,5% wahrscheinlich verfehlen, nachdem das Land im letzten Quartal (bis Juni 2022) ein mageres BIP-Wachstum von 0,4% verzeichnete – das langsamste Wachstum seit 2020. Peking versucht, sich von der durch die Covid-19-Lockdowns verursachten wirtschaftlichen Verlangsamung zu erholen, aber der schwache chinesische Konsum ist einer der Faktoren, die diese Bemühungen behindern.
Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt geht mit steigenden Löhnen zu einer konsumorientierten Wirtschaft über. Die privaten Gesamtausgaben im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) sind jedoch im internationalen Vergleich niedrig, so Ernst & Young in einem Bericht. Die Sparquote der privaten Haushalte in China gehört zu den höchsten der Welt, und obwohl es mehrere kulturelle und soziale Erklärungen für dieses Phänomen gibt, schreibt Shang-Jin Wei, Professor an der Columbia Business School, dass auch ein schlechtes Geschlechterverhältnis eine Rolle spielen könnte.
Warum ist der Konsum in China schwach?
Im Juni stiegen die Einzelhandelsumsätze um 3,1% und erholten sich damit von dem in den Vormonaten verzeichneten Rückgang. Den Daten des chinesischen Nationalen Statistikamtes zufolge konzentrierten sich die Verbraucherausgaben auf Autos, Kosmetika und Medikamente. In den Bereichen Gastronomie, Möbel und Baumaterialien war hingegen ein Rückgang zu verzeichnen. Die Einzelhandelsumsätze sind ein gutes Maß für den Verbrauch der privaten Haushalte, aber wir müssen auch die allgemeine Entwicklung des chinesischen Konsums betrachten.
Nach einer Studie von Ernst & Young geben die Chinesen am meisten für Lebensmittel und Wohnen aus, während die Ausgaben für Bildung und Unterhaltung, Verkehr und Kommunikation, Gesundheit und Kleidung noch nicht voll in Gang gekommen sind. Nach Ansicht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist China die Petrischale für globale Verbrauchermarken, u. a. dank der großen Bandbreite an Verbrauchern, des zunehmenden E-Commerce, des digitalen Zahlungsverkehrs und der Umstellung der Lieferketten.
Während die meisten Fundamentaldaten positiv erscheinen, muss man trotzdem genauer auf die Zahlen schauen.
Pekings strikte Null-Covid-Politik war das größte Hindernis für das Wachstum des BIP und der Verbraucherausgaben. Bereits im Mai 2022 schrumpften die Einzelhandelsumsätze in China um fast 7% und lagen damit aber besser als im April, als die Einzelhandelsumsätze um 9,7% gesunken waren. Dies bedeutet, dass der Anstieg der Einzelhandelsumsätze im Juni um 3,1% darauf zurückzuführen ist, dass sich das Land von der schweren Pandemie erholt hat. Es ist wahrscheinlich, dass die aufgestaute Nachfrage die Einzelhandelsumsätze in die Höhe getrieben hat, aber es bleibt abzuwarten, ob es einen nachhaltigen Aufschwung bei den Konsumzahlen des Landes gibt.
Laut von Bloomberg zusammengestellten Daten von G7 Connect, TS Lombard und Variflight waren die Passagierreisen in China in diesem Jahr niedriger als im Juni 2021, während die Inlandsflüge in diesem Quartal im Vergleich zum Vorjahr um 62% zurückgegangen sind. Unabhängig davon war der Lkw-Verkehr schwach, und es waren 20% weniger Lkw auf den Straßen unterwegs.
Mehrere dieser Rückgänge waren auf die in China verhängten Lockdowns zurückzuführen, die den Warenverkehr und die Wirtschaftstätigkeit stark einschränkten, Probleme in der Lieferkette verursachten und die Fabriken, die zur Schließung gezwungen waren, unter finanziellen Druck setzten. Zwar hat sich die Lage im Juni gebessert, doch besteht die Möglichkeit weiterer Lockdowns, wenn neue Covid-19-Fälle auftauchen. Anfang dieser Woche haben mehrere chinesische Städte erneut striktere Covid-19-Maßnahmen verhängt, da neue Fälle auftraten und in Shanghai Massentests durchgeführt wurden.
Konsumaussichten eingetrübt
Der rückläufige Konsum in China spiegelt sich in den Wirtschaftsdaten des Landes wider. Anfang dieser Woche senkte der Spitzenverband China Association of Automobile Manufacturers seine Prognose für die Fahrzeugverkäufe im Jahr 2022 auf 3% Wachstum, während er zuvor von 5,4% Wachstum ausgegangen war. Der Verband rechnet für 2022 mit einem Rückgang der Verkäufe von Nutzfahrzeugen um 16%.
Der chinesische Automobilsektor wurde durch die Covid-19-Lockdowns stark beeinträchtigt, da die Produktionslinien vor allem im Industriezentrum Shanghai geschlossen blieben. Um die Nachfrage wieder anzukurbeln, senkte China die Kaufsteuer auf Autos mit einem Preis von weniger als 300.000 Yuan (~45.000 USD) auf 5%. Andererseits versucht China, den Absatz von Elektrofahrzeugen durch Anreize und Subventionen für die Kunden anzukurbeln. Die Verkäufe von NEVs (New Energy Vehicles) stiegen im Juni aufgrund stärkerer politischer Untertsützung um mehr als 100%. Doch der Automobilverband sieht die Automobilindustrie durch einen Mangel an Chips und steigende Rohstoffkosten belastet.
Seit März 2022 hatten sich die Produktions- und Exportaktivitäten in China verlangsamt, da das Land mit einer neuen Welle von Covid-19 konfrontiert war. Im Juni zogen die Exporte jedoch wieder an, nachdem die Wirtschaft wieder in Gang gekommen war.
„Der globale Kontext wird auch die Aussichten Chinas im Jahr 2022 belasten, indem er das Exportwachstum drastisch reduziert und das Vertrauen angesichts der zunehmenden geopolitischen Spannungen dämpft“, so die Weltbank in einem Bericht. Eine mögliche Rezession in den USA und eine globale Verlangsamung werden wahrscheinlich die Exportzahlen Chinas belasten.
Der Immobiliensektor in China stand in den letzten Quartalen unter Druck, da mehrere Bauträger mit ihren Krediten in Verzug geraten sind. Ein Bericht des Beike Research Institute geht davon aus, dass die Gesamtnachfrage nach Immobilien zwischen 2021 und 2025 im Vergleich zu den vorangegangenen fünf Jahren um 17% zurückgehen wird. Die 100 größten Immobilienentwickler des Landes verzeichneten im Juni einen Rückgang der Verkäufe neuer Häuser um 43% im Vergleich zum Vorjahr.
China hat versucht, den Immobiliensektor durch eine Lockerung der Kaufbeschränkungen zu unterstützen. Allerdings haben Unterbrechungen auf breiter Front mehrere Projekte verzögert, da die Bauträger mit hohen Schulden und möglichen Zahlungsausfällen zu kämpfen haben. Einem kürzlich erschienenen Bericht aus China zufolge haben sich Hauskäufer in 22 Städten geweigert, ihre Hypotheken zu bezahlen, da die Bauträger den Bau der Projekte verzögern. Die Schieflage des Immobiliensektors wirkt sich negativ auf die Liquidität mehrerer Banken im Lande aus.
In der Zwischenzeit sieht sich China auch mit dem einzigartigen Problem der Jugendarbeitslosigkeit konfrontiert, das die Wirtschaft in Zukunft möglicherweise lähmen könnte. Im Juni 2022 waren fast 20% der jungen Menschen in China arbeitslos, und es wird erwartet, dass diese Zahl noch steigen wird, wenn eine neue Generation von Hochschulabsolventen auf Jobsuche geht.
Im Mai, als das Land beklagenswerte Einzelhandelsumsätze meldete, begannen chinesische Städte mit der Ausgabe von Konsumgutscheinen, um die Verbraucherausgaben anzukurbeln. Aus offiziellen Daten geht hervor, dass China Konsumgutscheine im Wert von rund 5 Mrd. Yuan (750 Mio. USD) ausgegeben hat. Um die Erholung von Reise und Tourismus zu fördern, gaben einige Regionen Reisegutscheine aus.
„Die fiskalischen Anreize werden weiterhin die Hauptlast tragen, bevor sich die Konsumnachfrage vollständig erholt. Die Lokalregierungen haben die Emission von Sonderanleihen im Wert von 3,4 Mrd. CNY (503 Mrd. USD) vor Ende Juni abgeschlossen“, sagte Chaoping Zhu, Global Market Strategist bei JP Morgan Asset Management in Shanghai.
