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Friendshoring in Asien – Neuordnung der Handelsströme?

Aufgrund ihrer stabileren politischen und wirtschaftlichen Umgebungen tuen sich viele asiatische Länder als attraktive Optionen für das Friendshoring hervor. Ein Gastbeitrag von Luis Lopez-Vivas, Economist Core Investments, AXA Investment Managers.

In den letzten Jahren hat ein wiederkehrendes Thema die Aufmerksamkeit weltweit erregt: die Deglobalisierung. Einst als unaufhaltsame Kraft gekennzeichnet scheint der Prozess der Globalisierung nun auf unerwartete Hindernisse zu stoßen. Nach einem vorübergehenden Rückgang des weltweiten Handels im Jahr 2020, setzte bereits 2021 wieder die Erholung ein. Doch neue Herausforderungen haben sich ergeben und es stellt sich die Frage, in welche Richtung die weitere Entwicklung geht.

Luis Lopez-Vivas, Economist Core Investments, AXA Investment Managers
Luis Lopez-Vivas, Economist Core Investments, AXA Investment ManagersLuis Lopez-Vivas, Economist Core Investments, AXA Investment Managers

Unvorhergesehene geopolitische Ereignisse in den letzten Jahren haben vielleicht die überzeugendste Begründung für ein Umdenken geliefert, denn Belange der nationalen Sicherheit sind in den Vordergrund gerückt. Insbesondere die russische Invasion der Ukraine im Jahr 2022 hat die Fragilität der Hyper-Spezialisierung des globalen Versorgungssystems verdeutlicht. Nicht nur Russland, sondern auch viele andere Länder zogen plötzlich die Entkopplung von Nationen in Betracht, die als „nicht wohlgesonnen“ eingestuft wurden. Das hat zur Entstehung neuer Begriffe im internationalen Handel geführt: „Friendshoring“ und „Nearshoring“. Beide Methoden verfolgen das Ziel, die Betriebsabläufe der Lieferketten zu optimieren und Risiken zu minimieren.

Nearshoring beinhaltet die Auslagerung der Produktion an benachbarte Länder. Die geografische Nähe ermöglicht geringere Transportkosten, schnellere Lieferzeiten, einfachere Kommunikation und reduzierte Kohlenstoffemissionen. Friendshoring hingegen umschreibt den standortunabhängigen Aufbau von langfristigen Lieferkettenbeziehungen. Dieser Ansatz reduziert Lieferkettenstörungen und eröffnet gleichzeitig einen breiteren Wettbewerb als nur zwischen benachbarten Ländern. Im Gegensatz zu anderen Regionen sind asiatische Länder aufgrund ihrer stabileren politischen und wirtschaftlichen Umgebungen als attraktive Optionen für das Friendshoring in Erscheinung getreten.

Die Anziehungskraft Asiens

Die aufstrebenden Volkswirtschaften Asiens sind aufgrund ihrer starken wirtschaftlichen Integration ein attraktiver Ort für Lieferkettenpartnerschaften. 2018 unterzeichneten elf Länder, darunter Brunei, Japan, Singapur und Vietnam, das Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership (CPTPP). Die jüngst erfolgte Genehmigung des Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) verstärkt diese wirtschaftliche Synergie weiter. Dieses Abkommen bringt 15 Nationen im asiatisch-pazifischen Raum zusammen, darunter einige Unterzeichner des CPTPP, und China. Damit bildet es den weltweit größten Freihandelsblock. Die 15 Mitgliedsländer repräsentieren dabei gemeinsam ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) von etwa 39 Bio. USD, was etwa 30% des weltweiten BIP entspricht. In seiner aktuellen Form reduziert das Abkommen unter anderem Zölle auf eine breite Palette von Gütern und Dienstleistungen und erleichtert den grenzüberschreitenden Handel. Unternehmen können so kosteneffizienter Güter aus der integrierten Region beziehen – ein Gamechanger für Lieferketten und Produktionsprozesse.

Zusätzlich zur starken wirtschaftlichen Integration verfügen asiatische Länder über umfangreiche Produktionskapazitäten, die teilweise mit denen Chinas vergleichbar sind. Beispielsweise macht der Fertigungssektor Thailands einen bedeutenden Anteil von 30% seines BIP aus. Diese Situation bietet verschiedene Vorteile, darunter Skaleneffekte und Synergieeffekte, die neuen Unternehmen erheblich zugutekommen können.

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Die Attraktivität Asiens geht jedoch auch über wirtschaftliche Faktoren hinaus. So spielt die starke Governance in der Region ebenfalls eine Rolle bei der Anziehung und Bindung ausländischer Investitionen. Investoren schätzen Länder mit robusten Governance-Praktiken, darunter transparente Institutionen, effiziente Vorschriften und zuverlässige Mechanismen zur Streitbeilegung. Diese Faktoren stärken das Vertrauen der Investoren und reduzieren die mit ihren Unternehmungen verbundenen Risiken.

Vietnam der asiatische Senkrechtstarter?

Doch wer profitiert am meisten? Hier hilft ein Blick auf die US-Warenimporte aus asiatischen Ländern seit 2015. Obwohl einige Nationen Zuwächse ihres Anteils an den US-Importen verzeichnen, hat Vietnam sich als der größte Profiteur des Handelskriegs zwischen den USA und China erwiesen. Das Land hat seinen Anteil an asiatischen US-Importen von 1,5% im Jahr 2015 auf fast 4% im Jahr 2022 gesteigert und ist somit zum führenden Land unter den Emerging Markets aufgestiegen.

Laut einem kürzlich veröffentlichten Bericht der Welthandelsorganisation (WTO) stiegen Vietnams Exporte zwischen 2017 und 2020 aufgrund der von den USA verhängten Zollerhöhungen auf chinesische Produkte um 27%. Allerdings wurde der Ursprung des Anstiegs auch schon in Frage gestellt. Es steht nämlich im Raum, dass chinesische Hersteller ihre Exporte einfach über Vietnam umleiten und so US-Zölle umgehen. Bereits 2019 hatte die vietnamesische Regierung ein solches Vorgehen bei einigen chinesischen Herstellern festgestellt und „Made in Vietnam“-Etiketten auf chinesischen Waren gefunden. In dem Zuge versprach sie auch, die Strafen für Handelsbetrug zu erhöhen. Das soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die legalen Transaktionen – also Einfuhren aus China zur Herstellung von Fertigprodukten in Vietnam, die dann in die USA exportiert werden – zugenommen haben.

Um die vollen Auswirkungen des Friendshoring-Effekts zu erfassen, lohnt auch ein Blick auf die ausländischen Direktinvestitionen in Asien. Malaysia ist das einzige Land, das in den letzten Jahren signifikante Zuwächse bei ausländischen Investitionen verzeichnete, doch dieser Anstieg hat mittlerweile nachgelassen. Des Weiteren zeigt die Datenanalyse, dass die FDI-Ströme nach China 2021 ihren Höhepunkt erreichten und nun erstmals in den letzten Jahren negativ sind. Schließlich führt Vietnam erneut in dieser Kategorie, allerdings schon vor dem Aufkommen der Friendshoring-Diskussion. Dennoch verdeutlicht dies den Erfolg Vietnams bei der Anziehung von ausländischen Direktinvestitionen. Und er ist nicht verwunderlich. Seit den 1980er Jahren hat Vietnam Marktreformen umgesetzt, die das Land zu einem Export-Zentrum gemacht haben. Dieser Wandel wurde durch die Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen erleichtert, die einen klaren Fokus auf die Anziehung ausländischer Investitionen legen. Darüber hinaus gewährt das Land ausländischen Unternehmen Steuervergünstigungen und vereinfachte regulatorische Verfahren.

Die Zukunft des Friendshorings in Asien hängt von wirtschaftlicher Integration, effektiver Governance und der Fähigkeit zur Anziehung ausländischer Investitionen ab. Starke US-FDI-Zuflüsse in die Region deuten auf weiteres Wachstum hin. Dennoch sollten Risiken wie Handelsstreitigkeiten und geopolitische Spannungen genau überwacht werden, da sie die globale Lieferkettenentwicklung beeinflussen könnten. Im Umfeld anhaltender Spannungen zwischen China und den USA dürften asiatische Länder ihre Produktion und Exporte ausbauen, ihre Rolle in der globalen Fertigung stärken und die langfristige Attraktivität der Region für Investitionen möglicherweise steigern.

 

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