In Japan beginnt zum 1. Mai, wenn der neue Kaiser Naruhito den Thron besteigt, ein neues Zeitalter. Bei der Namensgebung der neuen Ära wurden dabei zum ersten Mal Worte aus der japanischen Literatur gewählt – und nicht wie zuvor aus chinesischen Klassikern. „Reiwa“ heißt die neue Epoche, wie die japanische Regierung kürzlich bekannt gab. Es stammt aus der ältesten japanischen Gedichtsammlung, „Manyoshu“.
Der Bezug auf die traditionsreiche Gedichtsammlung soll das japanische Erbe an die nächste Generation weitergeben, so Premierminister Shinzo Abe nach Verkündung des neuen Namens. „Reiwa“ interpretiert er als “eine Kultur, die von Leuten geboren und genährt wird, die in Schönheit zusammenkommen”. Der Name solle ein Gefühl der Einheit in Japan fördern und zur Förderung von Reformen beitragen, so Abe.
Bis zum 30. April gilt noch Heisei 31 – das 31. Jahr nach der Thronbesteigung von Kaiser Akihito im Jahr 1989. „Heisei“ wird als „Frieden schaffen“ übersetzt. Am 1. Mai tritt der 59-jährige Naruhito die Nachfolge seines Vaters an. Dieser hatte bereits im Sommer 2016 aus Altersgründen seinen Rücktrittswunsch geäußert, welcher ihm später von der Regierung genehmigt wurde.
Breite Nutzung des westlichen Kalenders
Offiziell zählt Japan nach dem Zeitalter des amtierenden Kaisers. Diese Zeit wird für offizielle Dokumente wie Führerscheine verwendet oder in Zeitungen und anderen Publikationen. In den nächsten Wochen müssen daher Milliarden neue Formulare gedruckt werden. Auch Computer brauchen ein Update. Japans Kabinettschef Yoshihide Suga sagte, dass die Regierung sicherstellen wird, dass die Ministerien eng miteinander kommunizieren. So sollen die lokalen Regierungen alle notwendigen Informationen erhalten, um ihre Informationssysteme zu aktualisieren.
Im Alltag nutzt ein Drittel der Japan die Epochennamen, wie eine Umfrage der Tageszeitung Mainichi ergab. Genauso viele nutzen sowohl Epochen- als auch das westliche Kalendersystem. 25 Prozent verlassen sich rein auf die westlichen Zahlen.
„Reiwa“ – Symbol für Umbruch in Japan
Die sich zu Ende neigende „Heisei“-Zeit fällt ziemlich genau mit Japans wirtschaftlicher Stagnation zusammen. Seit dem Amtsantritt von Abe 2012 verzeichnet die Wirtschaft ein stetiges, aber unauffälliges Wachstum und „Reiwa“ macht Hoffnung auf mehr Aufschwung.
Die Börse reagierte kurzzeitig positiv auf den neuen Namen. Am Tag der Ankündigung stiegen einige japanische Aktien sprunghaft an. So stieg etwa die des Buchhändlers Bunkyodo Group Holdings um 29 Prozent in Erwartungen, dass sich Kopien der Manyoshu-Anthologie gut verkaufen. Der Handel insgesamt stimmt sich auf die neue Ära ein. Kaufhäuser planen Sonderaktionen, Bäckereien dekorieren ihr Gebäck mit „Reiwa“ Schriftzeichen, wie die Tageszeitung Nikkei Asia berichtet.
Allerdings warnte die japanische Regierung jüngst vor einer Verlangsamung der Wirtschaft. Im monatlichen Wirtschaftsbericht veröffentlicht im März hieß es, dass sich die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt “in moderatem Tempo erholt, während die Exporte und die Industrieproduktion in einigen Sektoren zuletzt schwach waren”. Dafür verantwortlich zeigten sich vor allem nachlassende Exporte nach China. Der private Konsum und Investitionen sind weiter solide und stützen die Wirtschaft. Zusammen machen sie etwa 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus, sagte ein Regierungsbeamter in einem Pressegespräch.
Eine Herausforderung der „Reiwa“-Ära wird weiter die alternde Bevölkerung sein. Hier setzt Abe auf mehr Frauen am Arbeitsplatz sowie eine größere Anzahl ausländischer Arbeitnehmer.