Ferdinand “Bongbong” Marcos Jr., der Sohn und Namensvetter des verstorbenen philippinischen Diktators, hat nach aktuellen Hochrechnungen die Wahl auf den Philippinen für sich entschieden. Der 64-jährige hat demnach über 31 Millionen Stimmen erhalten, mehr als doppelt so viel wie seine stärkste Konkurrentin, die aktuelle Vizepräsidentin Leni Robredo.
Nach dem philippinischen Wahlsystem gewinnt der Kandidat mit den meisten Stimmen, unabhängig davon, ob er eine Mehrheit erreicht hat. Die offiziellen Ergebnisse, bestätigt durch den philippinischen Kongress, werden erst in ein paar Wochen erwartet.
Der Sieg Marcos ist der Höhepunkt jahrzehntelanger Bemühungen seiner Familie, wieder an die Macht zu kommen. 1986 beendete die People-Power-Revolution die 20-jährige Herrschaft seines Vaters und zwang die Marcos bis Anfang der 1990er Jahre ins Exil auf Hawaii.
Die Präsidentschaft seines Vaters, geprägt von Korruption und Menschenrechtsverletzungen, ist ein Thema, das das Land spaltet. Befürworter der Familie Marcos sagen, es sei eine Zeit des Wohlstands und Fortschritts für die Philippinen gewesen. Kritiker sagen, die Infrastrukturprojekte, darunter der Bau von Krankenhäusern, Straßen und Brücken, seien durch weit verbreitete Korruption, ausländische Kredite und ausufernde Schulden realisiert worden. Zudem wurden zehntausende Menschen unter dem herrschenden Kriegsrechts von 1972 bis 1981 inhaftiert, gefoltert oder getötet, wie Menschenrechtsgruppen berichten.
Wahlkampf unter dem Motto “nationale Einheit”
In seinem Wahlkampf hat Marcos Jr. alle Themen in Zusammenhang mit seiner Familie vermieden – nationale Einheit war seine Botschaft. Menschenrechtsaktivisten befürchten, dass der neue Staatschef noch autokratischer regieren könnte als der bisherige Präsident Duterte.
Die Journalistin Maria Ressa, Friedensnobelpreisträgerin 2021, sagte gegenüber CNN, ein Sieg von Marcos zeige “nicht nur den Filipinos, sondern der ganzen Welt, welche Auswirkungen Desinformation auf eine Demokratie hat”. Marcos werde die Zukunft des Landes bestimmen, aber gleichzeitig auch seine Vergangenheit.
Auch Analysten und Investoren zeigen sich besorgt ob der Rückkehr der Marcos an die Macht. Die Wahl hat den Leitindex der philippinischen Börse belastet. Der Philippine Stock Exchange Index, kurz PSEi, schloss am Dienstag, am Tag nach der Wahl, mit einem Minus von 0,6% bei 6.720,93 und damit auf dem niedrigsten Stand seit neun Monaten. Zwischenzeitlich fiel er um 3,1%. Schaut man auf den breiteren Philippine Stock Exchange All Share Index, machte dieser Verluste von bis zu 2,9% und vernichtete 488 Milliarden Pesos (9,3 Mrd. USD).
Kein klares Wirtschaftsprogramm
Marcos Jr. verspricht, mehr Arbeitsplätze zu schaffen und die von der Pandemie geschundene Wirtschaft wiederzubeleben. So erwäge er Subventionen, um die Ölpreise zu zügeln. Zudem wolle er das von Präsident Rodrigo Duterte initiierte Infrastrukturprogramm “Build, Build, Build” fortsetzen. Analysten kritisieren, er hätte keinen klaren Plan.
“Investoren werden erstmal außenvor bleiben, bis der neue Präsident einen klaren und konkreten Plan zur Bekämpfung der steigenden Armut, zur Stärkung des Gesundheitswesens, zur Inflationsbekämpfung und zum Schuldenmanagement vorlegt. Die Investoren würden gerne sein Wirtschaftsteam sehen”, sagte Jonathan Ravelas, Chefmarktstratege der philippinischen BDO Unibank, gegenüber Forbes Asia.
Marcos Jr. erbt eine Wirtschaft, die auf dem besten Weg ist, sich von der Coronavirus-Pandemie zu erholen, aber mit Inflation und Schulden herausgefordert wird. Die Inflation beschleunigte sich im April auf 4,9%, den höchsten Wert seit Dezember 2018.
“Der neue Präsident wird die Inflation als oberste wirtschaftliche Priorität behandeln müssen”, so Moody’s Analytics in einem Bericht. “Die Steuerung der Inflation ist zu einem wichtigen politischen Thema geworden. Seit Anfang 2022 ist das verfügbare Einkommen der Haushalte durch höhere Preise für Grundnahrungsmittel bedroht”, heißt es in dem Bericht weiter.
Aufgrund der Pandemie mussten die Philippinen im Jahr 2020 mit 9,5% den stärksten Wirtschaftsrückgang der Nachkriegszeit hinnehmen. 2021 erholte sich die Wirtschaft um 5,6%. Für dieses Jahr erwartet die Regierung ein Wachstum von 7% bis 9%.