Alibaba, Baidu, JD.com und mehrere andere in den USA börsennotierte chinesische Unternehmen konnten am Freitag aufatmen, nachdem Washington und Peking eine erste Einigung in der umstrittenen Frage der Wirtschaftsprüfung erzielt hatten. Die beiden Länder haben einen Pakt unterzeichnet, der es den US-Aufsichtsbehörden ermöglicht, Wirtschaftsprüfungsunternehmen in China und Hongkong zu untersuchen. Somit ist ein Massen-Delisting von China-Aktien in den USA erstmal vom Tisch.
Chinesische Technologiewerte legten zu, nachdem Berichte aufgetaucht waren, dass Peking und Washington kurz vor einer Einigung standen. Die USA hatten gefordert, dass chinesische Unternehmen und ihre Wirtschaftsprüfer ihre Finanzprüfungen alle drei Jahre dem Public Company Accounting and Oversight Board, einer Prüfungsaufsicht, zur Überprüfung vorlegen.
“Lediglich ein Schritt im Prozess”
Die offensichtliche Lösung der Problematik der Wirtschaftsprüfung zwischen den USA und China hat den Druck auf über 200 chinesischen Unternehmen und ihre Investoren gemildert. Der NASDAQ Golden Dragon China Index, der in den USA notierte chinesische Unternehmen abbildet, ist im vergangenen Jahr um über 30% gesunken. Die Aktien von Alibaba, NIO, JD.com, Pinduoduo und anderen in den USA börsennotierten chinesischen Unternehmen reagierten mit einem Kurssprung auf die Ankündigung der Securities and Exchange Commission.
“Diese Vereinbarung ist das erste Mal, dass wir so detaillierte und spezifische Zusagen von China erhalten haben, dass sie Inspektionen der US-Wirtschaftsprüferaufsicht PCAOB und -Untersuchungen nach US-Standards zulassen werden. Die Chinesen und wir haben uns gemeinsam auf die Notwendigkeit eines Rahmens geeinigt”, sagte Gary Gensler, Vorsitzender der US-Börsenaufsicht SEC.
Der seit langem schwelende Streit hatte die USA gezwungen, damit zu drohen, chinesische Unternehmen von ihren Börsen zu verbannen. Nach fast einem Jahrzehnt des Drängens in der Audit-Frage ist es den nun USA endlich gelungen, China dazu zu bringen, ihrer Forderung zuzustimmen. Die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC ging die Situation jedoch mit Vorsicht an und erklärte, dies sei “lediglich ein Schritt im Prozess”.
“Diese Vereinbarung wird nur dann von Bedeutung sein, wenn das PCAOB tatsächlich Prüfungsgesellschaften in China vollständig inspizieren und untersuchen kann”, so Gensler. In der Vergangenheit hatte China beispielsweise der WHO nur teilweise erlaubt, die Herkunft von Covid-19 zu untersuchen, wobei mehrere Aussagen in offiziellen Dokumenten geschwärzt wurden.
Gemäß der zwischen des Public Company Accounting Oversight Boards (PCAOB), der China Securities Regulatory Commission und dem chinesischen Finanzministerium unterzeichneten Vereinbarung könnten Beamte des PCAOB bereits Mitte September in Hongkong eintreffen. Dies könnte der Startschuss dafür sein, dass China einer Untersuchung seiner Prüfungsgesellschaften zustimmt, auf deren Grundlage die SEC ihr weiteres Vorgehen festlegen wird.