China ist einer der größten Emittenten von Treibhausgasen (THG). Gleichzeitig ist das Land auch der weltweit größte Investor in Technologien für den Klimawandel und kontrolliert weite Teile wichtiger Lieferketten. Franklin Templeton vertritt die Ansicht, dass wirtschaftliches Eigeninteresse in Zukunft umfangreiche Investitionen erforderlich machen wird. Wir sprachen mit Marcus Weyerer, Senior ETF Investment Strategist von Franklin Templeton ETFs EMEA, über Chinas Rolle im Klimawandel.
AsiaFundManagers.com: Investoren berücksichtigen zunehmend Klimarisiken und -chancen. Sie argumentieren jedoch, dass sie oft in die falsche Richtung schauen.
Marcus Weyerer: Ja, aus unserer Sicht ist der Fokus dieser Bemühungen übermäßig einseitig; den größten Teil der Aufmerksamkeit schenkt man Europa und den USA, während die Schwellenländer, und insbesondere China, ein wenig im Abseits stehen.
Dies ist umso zutreffender, berücksichtigt man die übergroße Rolle, die China bereits in der Weltwirtschaft spielt, seinen Einfluss auf der politischen Weltbühne und die Tatsache, dass es mittlerweile der größte Emittent von THG ist. Gleichzeitig ist das Land auch der größte Investor in den grünen Übergang und kontrolliert weite Teile der Lieferketten für künftige Schlüsseltechnologien.
Wir glauben, dass in China – vielleicht mehr als in den meisten anderen Regionen – Klimarisiken und -chancen auf einzigartige Weise zusammenfallen und praktisch zwei Seiten ein und derselben Medaille sind. Und als Anleger können wir es uns ohne Frage nicht leisten, die eine oder andere auch nur ansatzweise außer Acht zu lassen.
AsiaFundManagers.com: Wodurch unterscheidet sich China mit seinen Ambitionen zum Klimawandel vom Westen?
Marcus Weyerer: China hat ein starkes wirtschaftliches Eigeninteresse an der Bewältigung des Klimawandels und es ist kein Zufall, dass die Regierung in den vergangenen Jahren eine Führungsrolle in dieser Angelegenheit übernommen hat. Sollte der Klimawandel weiter unkontrolliert voranschreiten, könnten sich die wirtschaftlichen Verluste Chinas laut Schätzungen der Weltbank schon 2030 auf 0,5% bis 2,3% vom BIP belaufen.
Als Beispiel, fast zwei Fünftel des BIP Chinas werden von den fünf Küstenprovinzen (von insgesamt 23) erwirtschaftet, die am stärksten durch steigende Meeresspiegel gefährdet sind. Diese Zentren an der Küste hängen stärker von der Auslandsnachfrage und vom Handel ab als einige der Regionen im Landesinneren. 65% des chinesischen Handels werden über das Südchinesische Meer abgewickelt und viele kritische Häfen des Landes, die die Küste säumen, könnten beeinträchtigt werden.
China ist besonders anfällig für den Anstieg des Meeresspiegels aufgrund seiner geringen Höhe und der Geologie der Küste. Unter den überflutungsgefährdeten Ländern weltweit nimmt China Platz 13 ein (unter Berücksichtigung von Fluss- und Küstenüberflutungen sowie Sturzfluten), bei den Risiken durch Wirbelstürme liegt es auf Rang 6.
Ich denke, die zugrunde liegende Botschaft ist bemerkenswert kohärent. Die Eindämmung von und die Anpassung an Klimarisiken sind für den künftigen wirtschaftlichen Erfolg sowohl auf mikro- wie auch auf makroökonomischer Ebene von grundlegender Bedeutung. Die Nettoergebnisse von Unternehmen werden auf unterschiedliche Weise beeinträchtigt und die Wirtschaft als ganzes wird schwer getroffen. Dies wird sich schließlich auf die Finanzmärkte und letztendlich auf die Renditen der Anleger niederschlagen.
AsiaFundManagers.com: Bei diesem Szenario darf China keine Zeit verlieren.
Marcus Weyerer: Und tut es auch nicht. Zudem hat China auch einfach eine überwältigende Dominanz. Mit deutlich über einer Viertelbillion Dollar übersteigen die Investitionen Chinas in Technologien zur Bewältigung des Klimawandels das, was die sechs nächstgrößten Akteure zusammen aufbringen. Die Weltbank kommt zu dem Schluss, dass die ‘hochentwickelten technologischen Fähigkeiten [des Landes] bedeuten, dass der Weg in Richtung CO2-Neutralität neue Möglichkeiten der Entwicklung eröffnet’.
2022 kontrollierte China 77% der weltweiten Batterieproduktionskapazitäten, eine unverzichtbare Komponente für eine CO2-neutrale Zukunft. Auch bei anderen Schlüsseltechnologien hat China einen großen Vorsprung.
Laut der Internationalen Energieagentur wird das Land bis 2025 voraussichtlich sage und schreibe 95% der Anteile der Lieferkette für Solarmodule kontrollieren. Um diese Zahl in den Zusammenhang zu stellen, sei erwähnt, dass weltweit voraussichtlich 70% des Stroms mit Sonnen- und Windenergie erzeugt werden müssen, wenn das Netto-Null-Ziel bis 2050 erreicht werden soll. Heute liegt der Anteil bei mickrigen 10%.
Oder um es zusammenzufassen: ohne China wird es einfach keine Klimawende geben.